Wetteraukreis. Angestellt und selbstständig? Das muss kein Widerspruch sein. Frau Dr. med. Kristin Heeger möchte genau das bieten. Die Hausärztin, die in Düdelsheim mit ihrem Schwager in eigener Praxis praktiziert, versucht gerade, ein Medizinisches Versorgungszentrum in Rommelhausen aufzubauen. Unterstützung bekommt sie von ihrer Vermieterin, vom Bürgermeister und von der Wirtschaftsförderung Wetterau. Die Voraussetzungen sind perfekt – eigentlich. Was Heeger fehlt, sind ärztliche Kolleginnen und Kollegen, die sie einstellen könnte. Und das, obwohl sie anbietet, dass diese sich auf ihren Arztberuf konzentrieren könnten: ohne bürokratische Hindernisse und finanzielle Risiken.
Frau Dr. Kristin Heeger ist Fachärztin für Allgemeine Chirurgie und für Allgemeinmedizin. Vor drei Jahren hat sie zusammen mit ihrem Schwager Jörg Heeger die Hausarztpraxis ihres Schwiegervaters in Düdelsheim übernommen. Seither haben zwei Praxen in der näheren Umgebung geschlossen. Dann wurde bekannt, dass auch Dr. Wolfgang Reinhardt, jahrzehntelang Hausarzt in Rommelhausen, Ende Juni in den Ruhestand gehen würde. Verzweifelte Patienten hätten vor ihrer Praxistür gestanden, „aber auch unser Tag hat nur 24 Stunden“, sagt Heeger. „Wir versorgen bereits mehrere Büdinger Ortsteile und können leider keine weiteren Patienten aus Limeshain übernehmen.“ So ist die Idee entstanden, die medizinische Versorgung in Limeshain zu unterstützen, selbst aber als Ärztin in Düdelsheim zu bleiben, wo die 41-Jährige mit ihrem Mann und den drei Kindern auch wohnt. Doch ihr Plan, ein Medizinisches Versorgungszentrum in den Praxisräumen von Dr. Reinhardt zu gründen, ist schwieriger umzusetzen als gedacht.
„Ich suche Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin, die gerne angestellt arbeiten möchten“, sagt Heeger. Viele junge Kollegen wollten keine eigene Praxis betreiben, sondern lieber angestellt sein: „So können sie risikoarm, aber trotzdem selbstständig arbeiten“, erklärt Heeger. Neben der telefonischen und der Vor-Ort-Sprechstunde müssen durchschnittlich weitere 10 Stunden Arbeitszeit pro Woche für Abrechnung, Praxisorganisation, Anfragen von Versicherungen und andere bürokratische Notwendigkeiten eingerechnet werden. „Um im Büro zu sitzen, studiert aber ja niemand Medizin.“ Ein Großteil dieser zusätzlichen Tätigkeiten würde den Kollegen im geplanten MVZ abgenommen werden, um dem Fokus im Praxisalltag wieder auf die Patientenversorgung zu richten. Eine weitere Herzensangelegenheit ist Dr. Heeger eine familienfreundliche Atmosphäre. „Ich lege großen Wert auf flexible Arbeitszeiten und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich kenne die Bedürfnisse und Widrigkeiten von berufstätigen Familien und möchte darauf gerne bestmöglich eingehen“, betont die dreifache Mutter.
Fachärzte schnell weg vom Markt
Für die Zulassung zum Medizinischen Versorgungszentrum sind mindestens zwei Vollzeit-Arztstellen - oder umgerechnet entsprechend mind. 3 Ärzte in Teilzeit – nötig. Hier liegt das Hauptproblem des Vorhabens. Der Facharztmangel auf dem Land zeigt sich im gesamten Büdinger Raum, wenn nicht sogar in vielen Teilen der Wetterau. Kollegen scheiden aus, Praxen, wie die von Dr. Reinhardt, werden nicht weitergeführt und die Belastung der noch bestehenden Praxen wächst monatlich. Es gibt im städtischen und noch mehr im ländlichen Raum viele freie Arztstellen. Frau Dr. Heeger kann auf ein großes Netzwerk zurückgreifen, postete Stellenanzeigen und nahm Kontakt zur Kassenärztlichen Vereinigung auf, „doch der Markt scheint leer“. So soll das Vorhaben nun weiter medial verbreitet werden, um mögliche Interessenten zu finden und anzusprechen. „Wir wollen mit dem MVZ dem Ärztemangel in der Region entgegenwirken und die medizinische Versorgung vor Ort langfristig sichern – und zwar so schnell wie möglich.“
„Von Anfang an begeistert“
Nach einem Gespräch mit Dr. Reinhardt selbst, hat Dr. Kristin Heeger zunächst mit der Vermieterin der leerstehenden Praxisräume in Rommelhausen Kontakt aufgenommen. Einige Umbau- und Erweiterungsarbeiten wären für eine Nutzung als MVZ nötig. Damit ist Antje Blaschke, eine gebürtige Limeshainerin, einverstanden. Auch sie sieht die Notwendigkeit der hausärztlichen Versorgung auf dem Land und unterstützt das Vorhaben.
Als nächstes haben die beiden das Vorhaben Bürgermeister Adolf Ludwig vorgestellt. Ihn beschäftigt das Problem nicht nur als ehemaliger Patient von Dr. Reinhardt, der nun ebenso wie viele andere der knapp 6000 Einwohner Limeshains zu umliegenden Praxen fahren muss. Vor allem liege es im Interesse der Gemeinde, die hausärztliche Versorgung vor Ort zu sichern, sagt Ludwig. Seine Idee: Kontakt zur Wirtschaftsförderung Wetterau aufnehmen.
„Die grundlegenden Voraussetzungen sind sehr, sehr gut“, betont Geschäftsführer Bernd-Uwe Domes. „Wir haben eine erfahrene Hausärztin mit etablierter Praxis, eine wohlwollende Eigentümerin und eine Kommune, die das Vorhaben ebenfalls sehr unterstützt. Und auch wir waren von Anfang an begeistert.“ Zur Hilfe, die die Wirtschaftsförderung bietet, gehört – neben einem Maßnahmenplan mit gemeinsam entwickelten innovativen Ideen, um das Vorhaben publik und für junge Medizinerinnen und Mediziner interessant zu machen – auch das Wissen um mögliche Fördergelder, etwa für den Umbau der Praxisräume und für die Ausstattung.
Hierfür kommt zum einen das LEADER-Programm infrage – eine Fördermaßnahme der EU, um den ländlichen Raum zu entwickeln. 19 der 25 Wetteraukommunen gehören zur LEADER-Region Wetterau/Oberhessen – ihnen stehen von 2023 bis 2027 rund 6 Millionen Euro zur Verfügung. „Die LEADER-Förderung setzt an vier Handlungsfeldern an. Zum Bereich der Daseinsvorsorge gehört auch die ärztliche Grundversorgung“, erklärt Domes die Fördervoraussetzung. „Wir steuern auf einen zunehmenden Ärztemangel zu. Verschiedene Hausärzte gehen in den Ruhestand, das bedroht die ärztliche Versorgung in der Region.“
Verschiedene Fördertöpfe stehen zur Verfügung
Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen stellt zwar derzeit keine ärztliche Unterversorgung im Wetteraukreis fest, jedoch genügt es für die Beantragung von LEADER-Geldern, wenn die Förderung dazu dient, eine Unterversorgung abzuwenden oder einen Arztsitz zu erhalten. „Im Rahmen dieses Programms gibt es eine Grundförderquote von 50 Prozent für medizinische Versorgungseinrichtungen, wobei die spezifischen Voraussetzungen im Detail geprüft werden müssen. Die maximale Fördersumme beträgt 300.000 Euro“, erläutert Britta Schellhammer vom LEADER-Regionalmanagement. Eine LEADER-Förderung setzt voraus, dass der entsprechende Bedarf oder Versorgungsengpass von der Kassenärztlichen Vereinigung oder dem Hausärzteverband Hessen bestätigt wird.
Das Gute daran: LEADER-Gelder können unter bestimmten Bedingungen mit Fördermitteln weiterer Zuwendungsgeber kombiniert werden, etwa mit dem Programm „Förderung der gesundheitlichen Versorgung insbesondere in ländlichen Räumen“ vom Hessischen Sozialministerium. „Hierüber sind Zuschüsse für Einrichtungsgegenstände, auch für die Erstausstattung, möglich. Das muss man im Einzelfall prüfen, um Anreize für investive Vorhaben wie Modernisierung und barrierefreien Ausbau von Praxen zu ermöglichen“, sagt Oliver Schmidt, Projektmanager bei der wfg.
Die Konstellation im Fall Heeger sei hervorragend, betont Domes. „Es wäre schade, wenn es nicht gelingen würde, die zurzeit noch fehlenden Fachkräfte zu akquirieren.“ Deshalb hat die Wirtschaftsförderung Wetterau gemeinsam mit der Gemeinde Limeshain einen Maßnahmenplan erarbeitet, um auf das sich verstärkende Problem des hausärztlichen Fachkräftemangels im ländlichen Raum aufmerksam zu machen. Alle Beteiligten hoffen, dass durch eine erhöhte Reichweite bald die beiden benötigten Vollzeitärztestellen besetzt werden können. „Vielleicht gibt es ja junge Ärzte, die aus unserer Region stammen oder dorthin gezogen sind, die wir gar nicht kennen“, sagt Domes.
Auch Bürgermeister Ludwig ist guter Dinge – und bewirbt Limeshain als Wohn- und Arbeitsumfeld für potenzielle Interessenten. „Wir sind eine attraktive Gemeinde mit einer guten Infrastruktur, in die wir viele Millionen Euro investiert haben. Wir haben Glasfaser, bieten eine zuverlässige Kinderbetreuung vom ersten Lebensjahr bis zur Grundschulzeit.“ Die Bahnanbindung nach Frankfurt sei gut, Hanau, Frankfurt und Offenbach komfortabel über die Autobahn erreichbar, „um das kulturelle Leben in der Stadt zu genießen“. Aber auch die Gemeinde selbst biete viele Freizeitmöglichkeiten. „Man kann hier gut leben und wohnen“, sagt der Bürgermeister. „Jetzt brauchen wir nur noch eine gute hausärztliche Versorgung.“
Interessierte Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin melden sich gerne unter: info@hausarzt-familie.de